Audio – Soulmagnet : Zurück in die Zukunft

In der Welt des Drum & Bass Untergrunds glaubt man nicht an Zufälle; und es nimmt nicht wunder, dass Audios drittes Album Soulmagnet auf jenem Label releast wird, das vor knapp eineinhalb Jahrzehnten mit Wormhole nicht nur den akustischen Nährboden für Noisia, Phace und Co. legte, sondern dem ganzen Neurofunk-Genre Ausdruck, Richtung und -wenn man so möchte- Sinn gab. Zwar könnte man einwenden, dass ohnehin der Gutteil seines Schaffens auf Virus rauskommt – aber ich meine, dass selten ein Album dermaßen an den alten Geist Ed Rush & Opticals aufgeschlossen hat, ohne sich epigonal und inauthentisch zu gebärden. Soulmagnet ist definitiv Audio, vereint 11 Tracks auf etwa einer Stunde Laufzeit, die sich problemlos und in gewohnter Manier mit einer Flasche Rotwein und einer Axt genießen lassen. Aber es hat auch Tiefe, Funk und langanhaltenden Unterhaltungswert, wie ihn Audios Nummern mitunter erahnen ließen aber selten vollends ausspielten, ist abwechslungsreich und -hört hört!- zuweilen sogar sexy.

Um wieder einmal am Anfang anzufangen: das Epos beginnt -meiner chronischen Unzufriedenheit mit Eröffnungstracks gemäß- mit dem eher unspektakulären Fringe, das zwar mit einem netten Intro aufwartet, dessen Hauptteil aber etwas konstruiert klingt. Der Raubbau an den Tonspuren Hollywoods geht freilich ungebremst weiter (und eigentlich ist eine Nummer, die mit einem Fight Club Sample beginnt, ja per se sympathisch), und natürlich stützen sich die atmosphärischen Teile auch des zweiten Tracks, des relativ basisch-treibenden Contraband, darauf. Der Funke will aber auch hier noch nicht vollends überspringen, aber die eingeschlagene Richtung, die Vielfalt verspricht und die Aggression nicht ins emotionale Zentrum rückt, macht bereits Lust auf mehr. Ein Mehr, dass mit Vein Drain (feat. InsideInfo) auch endlich daherkommt: Die Nummer ist mehr oder weniger Audios Antwort auf Noisias Charger, und ähnelt der apokalyptischen Autofahrmusik in sowohl ihrer Anlage um ein repetitives Synthesizersurren, als auch dem energetischen Niveau einer mittelgroßen Atombombe. Soundmäßig drängt sich natürlich auch hier wieder die Frage auf, wieso das neue Black Sun Empire Album nicht so klingt, aber wahrscheinlich wäre es an der Zeit, dieses Trauma zu überwinden.

Die Anfangstrias hinter uns lassend, begeben wir uns mit Creature Comforts in den unheimlich konsistenten mittleren Teil des Albums, der für mich vielleicht nicht ganz richtig als zweite thematische Einheit dasteht, aber jedenfalls einige der besten, reinsten Neurofunk-Tracks des Jahres präsentiert. Allen voran die zweite Kollaboration mit InsideInfo, Recluse, die zu meiner grenzenlosen Freude an den Funk alter Noisia Nummern wie Sandworm oder Crank (den Göttern sei’s geklagt, ein verloren geglaubter Sound!) anknüpft und damit den bereits bei der famosen Zusammenarbeit mit Stapleton –Fall Back– angedeuteten Pfad weiter beschreitet. Ein Pfad, auf dem sich auch das später erklingende Leech durchaus befindet, und der Audios gewohnt druckvollen, bestimmten Ansatz mit dem jazzigen Charme jener Sounds vermählt, die uns Ed Rush & Optical mit Funktion das erste Mal vor Ohren führten, und die in der Folgezeit den schmalen Grat zwischen technoidem Telos und funkiger Verspieltheit definieren sollten.
Aber wie gesagt, Audio war wohl noch nie so vielfältig wie auf Soulmagnet, und so schlägt ein weiteres Album-Highlight, das hervorragend produzierte  und unerhört groovende Headroom, wiederum in eine andere Kerbe, die mehr an Break und Upbeats erinnert und mit ihren unablässig nagenden Knarzbass und tief rollenden Sub die Unterleiber im Sturm erobert.

Mit Point Of No Return, der melodisch altbackensten Nummer, nimmt Audio schließlich noch Tuchfühlung mit den frühen Pendulum auf, und schließt mit dem Titeltrack zur Weltraumdisco des späteren Ed Rush auf, bevor er und Genosse Meth sich auf Gamma eingehend mit den Möglichkeiten des LFO auseinandersetzen. Da sind wir aber schon im dritten Teil des Albums, das mit dem an BSE-Psychodelie erinnernden und sternwärts strebenden Recon einen durchaus elektrifizierenden und stringenten Abschluss findet.

Was bleibt also von Soulmagnet über, nachdem man es auf den Tech-Floors dieser Welt verbraten hat und sich die Wogen geglättet haben, die so ein massiver Einschlag natürlich verursacht? Nun, zum einen die hoffnungsvolle Erkenntnis, dass sich neben Maztek ein weiterer talentierter Produzent vom akustischen Fresse-einschlagen weg und der Musik und ihrer Schönheit (oder wie auch immer man dazu sagen möchte) selbst zuwendet, sowohl aber ausgefeilte Produktionstechnik und ausufernde Energie mitnimmt. Dann freilich zeigt das Album wieder in eine Richtung des Genres, die uns in den letzten Jahren schmerzlich abhandengekommen ist, und deren Wiederauftauchen auf hohem Niveau wohl nicht nur ich mit offenen Armen und Ohren begrüße – und wer weiß, vielleicht wird man in einigen Jahren von Soulmagnet sprechen als von jenem Wendepunkt, der die zweite Hochzeit des Neurofunk schließlich auf den Weg brachte, und als von jenem Wurmloch, durch das der Funk wieder in die Musik einzog.
Für jetzt aber bleibt es ein wunderbares Album, das -wie nun mal fast jedes größere Werk- nicht immer vollends überzeugen kann, aber auch beim x-ten Durchhören noch Spaß macht, groovt, und dessen beste Momente sich auch noch halten werden, wenn der Wein leer und die Axt lange stumpf  ist.

Audio (feat. InsideInfo, Meth) – Soulmagnet (Virus Recordings) – http://www.youtube.com/watch?v=wo4HvvHZED4 (Virus Promo), http://www.digital-tunes.net/releases/soulmagnet

Noisia – Charger (MotorStorm Apocalypse OST) – http://www.youtube.com/watch?v=KOu1BRIJPbs (free & legal download via http://www.facebook.com/noisia/app_389514974442774)

Noisia – Sandworm (Subtitles Music, 2005) – http://www.youtube.com/watch?v=VGCCt8PwjpU

Audio feat. Stapleton – Fall Back (Renegade Hardware) – http://www.youtube.com/watch?v=eM7y3M5g-W8

Ed Rush & Optical – Funktion (V Recordings, 1998) – http://www.youtube.com/watch?v=UohWrNyBF6g

Sehen, Hören, Staunen. http://www.facebook.com/Subsphere

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